Nach der Geburt bis etwa 6 Jahre

Auch nach neunmonatiger Schwangerschaftsphase sind Neugeborene ausgestattet mit allem, was sie zum Leben brauchen: Möglichkeiten der Motorik (einschließlich Mut) und Fähigkeiten zu Fühlen (z.B. Annahme und Hingabe, Geborgenheit). Der Teil unseres Gehirns, der den sogenannten „Geist“ betreibt, ist nach der Geburt wie eine Art Pudding, ohne Inhalte. Es sind zwar schon leichte Andeutungen von Bahnen vorhanden, jedoch noch keine Aktivitätsorientierungen bzw. –potentiale. Das heißt, daß die Lebensfunktionen des Denkens, des Erkennens und des Reagierens, sowie des sozialen Handelns, völlig unausgereift sind. Der Wachstumsprozess des Gehirns und der Hirnstruktur ist extrem schnell. Am Ende des ersten Lebensjahres ist das Gehirn schon auf die Hälfte seiner möglichen Größe angewachsen. Die Vernetzung und das Wachstum der Milliarden von Nervenzellen geschieht nahezu explosionsartig.

Diese Vernetzung der Gehirnnervenzellen ist mit dem Ende des dritten Lebensjahres stark voran geschritten. Die Vernetzung kann nur dann bestmöglichst verlaufen, wenn der Säugling, bzw. das Kleinkind genügend Anregungen bekommt. Das verlangt natürlich gerade von den Eltern, sich Zeit und Geduld zu nehmen, und sich mit ihrem Kind ausgiebig zu beschäftigen. Das Kind braucht unbedingt immer zuverlässige, ihm zugewandte Bezugspersonen, die das Kind kennen lernen wollen. Da jedes Kind einzigartig ist, ist es ja auch erst einmal unbekannt, wie die Bezugspersonen für das Kind auch. Wichtig ist auch, dass sich die angenehmen Erfahrungen von außen wiederholen, damit Lernerfahrungen unterstützt werden können.

Wie bedeutsam der Einfluss der Eltern ist, zeigt das Beispiel der Sprachentwicklung. Kinder übernehmen nicht nur komplett die Sprache der Eltern, sie imitieren auch Redewendungen, Sprachmelodien, dialektische Einschläge und anderes mehr. Die Reichhaltigkeit des sprachlichen Ausdrucks wird von den Eltern maßgeblich geprägt. Kinder, die in einem Haushalt aufwachsen, in dem ein ansprechendes Sprachniveau besteht, können sich über Sprache besser ausdrücken und erzielen damit einen lebenslangen Vorsprung gegenüber Kindern, die diese Anregungen nicht erfahren konnten.

Das Erlernen von Empfindungen und sozialen Normen verläuft ähnlich wie beim Denken und Sprechen. Im Unterschied zu der Entwicklung der kognitiven Funktionen, die vor allem auf Erfahrungen beruhen und vor allem ausreichend trainiert werden müssen, können sich die Fähigkeiten des Fühlens und Handelns nur in der sozialen Gemeinschaft entwickeln, in der das Kind aufwächst. Dabei ist es entscheidend, dass Kinder immer wieder von ihnen aufmerksam zugewandten Bezugspersonen umgeben sind, insbesondere natürlich Vater und Mutter, damit sich Geborgenheit und Empfinden für die eigene Personhaftigkeit in der Gemeinschaft aufbauen kann. Das verlangt heutzutage oftmals eine gute Organisation, wenn etwa beide Partner berufstätig sind, oder jemand allein erzieht.

Ganz wesentlich dabei ist auch, dass einmal gelernte Verhaltensnormen überall Gültigkeit besitzen. Das Kind erfährt auf bestimmte Aktionen aus seiner Umwelt immer dieselben Reaktionen und gewinnt so die notwendige Sicherheit und Orientierung. Es ist in der Lage, die Signale aus seiner Umwelt zu interpretieren. Widersprüchliches Verhalten dagegen sorgt für große emotionale Verunsicherung. Selbst für ältere Kinder sind widersprüchliche Anweisungen von Erwachsenen äußerst verwirrend. Entscheidend dabei ist jedoch besonders, dass Eltern sich ebenfalls an die gleichen Regeln halten. Das gilt auch für Großeltern, die nämlich leicht dazu neigen, Wünsche von Kindern oder auch Ansprüche verwöhnend zu behandeln. Großeltern sollten nicht die Erziehungsgrundsätze der Eltern aufheben, sie können vielleicht ein paar Tips geben (wenn die Kinder nicht dabei sind!).